Marschnerhaus: Erst abreißen, dann nachdenken - für knapp 400.000 Euro Steuergeld (Update)

Die Michelstädter SPD und CDU wollen das Marschnerhaus kaufen und umgehend abreißen, für zusammen fast 400.000 €. Doch leider haben sie keine Vorstellung davon, welcher Verkehrslösung das Haus so dringend Platz machen soll. Es handelt sich um ein Wohn- und Werkstattgebäude mit kleiner Halle und Garage an der Ecke B 45/Hammerweg, direkt neben dem Kaufland-Parkplatz, das der Familie Marschner gehört. (Update vom 12.11.20, vollständige Abstimmungsergebnissen siehe unten) Die FDP stimmte dem Abriss ebenfalls zu.

 

Mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP gegen das Votum von ÜWG und Grünen hat die Michelstädter Stadtverordnetenversammlung am Montagabend (09.11.20) beschlossen, das Marschnerhaus zu kaufen und umgehend abzureißen. Der Bewuchs soll entfernt und das Grundstück eingeebnet werden. Dafür werden dann zusammen 392.000 € ausgegeben.

Für fast 400.000 Euro soll also an der Ecke neben dem Kauflandparkplatz ein Stück Rasen entstehen, zum stolzen Preis von rund 550 Euro den Quadratmeter.

Wenn so viel Geld ausgegeben wird, sollte das einen guten Grund haben. Laut Vorlage ist geplant, die Ortsdurchfahrt der B45 und die Verkehrsführung neu zu gestalten. Das Grundstück sei für die künftige Verkehrsführung wichtig.

Doch weder aus der Vorlage noch aus den Beiträgen der Diskussion ist zu erkennen gewesen, an welche künftigen Verkehrsverbesserungen SPD und CDU denken, die einen umgehenden Abriss notwendig machen.

Die Kreuzung B45 / Hammerweg ist ein Stauknoten, der viele Verkehrsteilnehmer viel Zeit kostet. Und was kann man tun? Das Grundstück könnte dafür genutzt werden, die – bereits vorhandene - Rechtsabbiegerspur von der B45 Richtung Kellereibergstraße etwas zu verlegen. Das aber würde die Verkehrssituation nicht verändern. Entlastung könnte dagegen eine zusätzliche Rechtsabbiegerspur vom Hammerweg auf die B45 Richtung Erbach schaffen. Dafür aber wird das Grundstück nicht benötig, denn es liegt ja auf der anderen Seite der B45. Ein Kreisel, von dem sicher einige träumen, eignet sich an dieser Stelle nicht, dies wäre eine massive Verkehrsbehinderung. Dies ist der am stärksten befahrene Straßenabschnitt im Odenwald, und der Hauptverkehrsstrom läuft über die B45/B47. Zudem dürfte die zur Verfügung stehende Fläche auch unter Einbindung des in Rede stehenden Grundstücks für einen leistungsfähigen Kreisel, der die starken Verkehrsströme an dieser Stelle aufnehmen könnte, bei weitem nicht ausreichen. An den anderen drei Ecken steht jeweils nur ein Grünstreifen zur Verfügung.

Zudem: Da die B45 erst vor wenigen Jahren durch Hessen mobil erneuert wurde, ist jede Planung an dieser Stelle in die weitere Zukunft gerichtet. Fünf Jahre sind das Minimum, mit dem wir rechnen müssen.

 

Halten wir also fest: Es gibt noch nicht einmal eine vage Idee für eine geänderte Verkehrsführung an dieser Stelle, die den Abriss des Marschnerhauses begründen würde. Der im Haupt- und Verkehrsausschuss aufgrund der kritischen Fragen der ÜWG nachgereichte Antrag der CDU-Fraktion, man möge doch bitte innerhalb eines Jahres eine solche Idee entwickeln, unterstreicht das nur. Während der Abriss umgehend nach Kauf erfolgen soll, will man sich bis zur ersten Planungsidee ein Jahr Zeit lassen.

Erst abreißen, dann nachdenken und das für knapp 400.000 Euro? Für uns als ÜWG ist das sinnlose Vernichtung von Steuergeldern.

 

Das Gebäude steht aktuell zum Verkauf, hier kann man zugreifen. Dem Kauf stimmte die ÜWG zu, da dies in Zukunft einmal eine für die Entwicklung Michelstadt wichtige Fläche werden kann, die der Stadt gehören sollte. Sollte sich diese Einschätzung aber einmal ändern, sollte die Stadt Grund und Gebäude wieder veräußern können.

Den Abriss der Gebäude lehnt die ÜWG ab. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht dazu keinerlei Veranlassung. Die Behauptung, das Wohngebäude sei kurzfristig nicht nutzbar, es müssten erst Finanzmittel aufgebracht werden, um es vermieten zu können, überzeugt nicht und wirkt vorgeschoben. Das Gebäude ist in einem akzeptablen Zustand. Oder will man hier für 340.000 € eine Ruine kaufen?

Wenn die werten Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU keine eigene Idee haben, wie das Grundstück nebst Bebauung an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren genutzt werden könnte, dann sollten sie sich Vorschläge machen lassen. Wie wäre es dazu mit einem Konzeptwettbewerb? Das Gebäude wird befristet auf fünf Jahre mit einem Gewerbepachtvertrag angeboten. Den Zuschlag bekommt derjenige, der die beste Idee für die Nutzung hat. Eine Nutzung, die an dieser Stelle gut passt und die auch zu einem Stadteingang von Michelstadt passt.

Dem Vorschlag der ÜWG, wenigstens die nachgeschobene CDU-Forderung nach einer verkehrstechnischen Planung mit einer Zielvorstellung zu ergänzen, verweigerten sich SPD und CDU – man wolle sich nicht festlegen. Dabei hatte die ÜWG nur das Offensichtliche vorgeschlagen: „Ziel der Planung soll sein, Stausituationen auf der Bundesstraße aufzulösen, einen flüssigeren Verkehr zu ermöglichen und insgesamt die Leistungsfähigkeit der Kreuzung zu erhöhen. Zudem soll die Sicherheit der Fußgängerquerung verbessert werden.“

 

Ergänzung vom 12.11.20:

Abstimmungsergebnisse in der Stadtverordnetenversammlung vom 09. November 2020 zum TOP "Marschnerhaus"

Es gab hierzu vier Abstimmungen:

1. Beschluss über den Ankauf des Marschnerhauses

23 Ja : 4 Nein. Nein stimmten die Grünen, Ja stimmten SPD, CDU, FDP und ÜWG

2. Beschluss über den Abriss nach Erwerb

15 Ja : 12 Nein. Für den umgehenden Abriss stimmten SPD, CDU und FDP, dagegen ÜWG und Grüne.


3. ÜWG-Antrag "Planungsziel Stau auflösen, mehr Fußgängersicherheit"

8 Ja : 19 Nein : 2 Enthaltungen. Gegen das Planungsziel stimmten SPD, CDU und Grüne, die FDP enthielt sich, Ja-Stimmen der ÜWG.

 

4. Beschluss "Verwaltung soll Planungsidee in einem Jahr vorlegen"

16 Ja : 4 Nein : 7 Enthaltungen. Nein der Grünen, Enthaltung der ÜWG, Ja von SPD, CDU und FDP sowie einer Stimme aus der ÜWG.

 

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